Wenn man systemisch über Coaching und Teamentwicklung nachdenkt, dann beginnt man am besten bei der kleinsten Einheit. Dem Coachee oder dem einzelnen Teammitglied. Beim kleinsten Nenner, der inneren Aufstellung eines Individuums. Denn nur wer sich im entsprechenden Kontext im eigenen Selbst klar ist, was ihn oder sie bewegt, der kann nach Außen klar handeln. Werte und Normen zum Beispiel können die inneren Antreiber sein.
Die Klarheit über das, was mich antreibt, kann in einem Einzelcoaching natürlich viel intensiver herausgearbeitet werden als bei einem Teamtraining. Der geschützte Rahmen und verschiedene Methoden, um Themen greifbar und sichtbar zu machen, sind hier enorm hilfreich. Wie zum Beispiel das Innere Team nach Schulz von Thun oder Timeline Arbeit. Bei all dieser Selbstklärungsarbeit müssen Emotionen und Gefühle immer wahrgenommen und gewürdigt werden. Emotionen sind rein hirntechnisch immer die stärkeren Antreiber, wenn wir diese außer Acht lassen, schaffen wir keine Entwicklung. Sie führen evaluationsbedingt zu den stärksten Urreflexen bei Gefahr: Flucht, Angriff oder Tot stellen. Diese alten Mechanismen sind in unserer modernen Gesellschaft nicht immer sinnvoll oder hilfreich, zum Beispiel Schweigen (Tot stellen) im Konflikt (Angriff).
So geht es bei vielen Coaching Themen um Führung, Entscheidung, (schwierige?) Teams, Beruf und Familie, Überlastung. Oft hilft schon der Entschluss für ein konkretes Coaching weiter, diffuse Gedanken werden an die Oberfläche gebracht und müssen konkretisiert werden, das Nachdenken wird mit einem Sparringspartner strukturiert und Lösungsprozesse werden initiiert. Das ist übrigens auch ein Merkmal des systemischen Coachings: Es geht in kurzer Zeit zu Lösungen und ersten konkreten Schritten, die allerdings intensiv auf Wechselwirkungen mit der Umwelt überprüft werden. Systemisch eben, immer alle Seiten betrachten.
Und wie geht man jetzt mit Teams um? Wenn schon der einzelne Mensch doch so komplex ist? Die Lösung ist erst mal einfach. Arbeiten mit konkreten Aufgaben, ganz pragmatisch an dem was real passiert. Kein in die Tiefe wühlen. Allerdings sehr wichtig und oft komplex: Man kläre intensiv vor einer Maßnahme, was das Ziel eines Workshops oder einer Teamentwicklung sein soll. Das kann sehr intensiv sein, oft mit dem Auftraggeber, am besten mit dem ganzen Team. Siehe systemische Wechselwirkungen zwischen Individuen. Wenn realistische Ziele und Auftrag geklärt sind, dann nimmt man das Team aus dem gewohnten Rahmen und gibt ihm in einem neuen, emotional berührenden Setting artfremde Aufgaben. Emotional deshalb, da es kein Lernen ohne (positive) emotionale Beteiligung gibt. Also zum Beispiel eine schöne Berglandschaft für Stadt-Büro-Menschen. Aufgaben sind erprobte Klassiker wie die Seilbrücke über eine Schlucht oder komplizierte Orientierungsaufgaben.
Und jetzt kommt der große Knackpunkt, der eine Teamentwicklung vom Incentiv unterscheidet: Die Bereitschaft der Teilnehmenden, den Prozess von Führung und Zusammenarbeit so offen als möglich zu hinterfragen. Selbstverständlich gilt es in der Arbeitswelt einen professionellen Selbstschutz halten, kein Kollege wird sein tiefstes Inneres nach außen kehren. Hier ist der Trainer gefragt, wirkliches kollegiales Feedback zur Zusammenarbeit zu initiieren, ohne dass es zu Verletzungen kommt. Und hier braucht es wirklich eine große Bereitschaft aller, aneinander zu lernen und zu arbeiten. Und nicht nur bei Sachprozessen, sondern auf der Beziehungsebene. Wenn das gelingt, dann erlebe ich Teammaßnahmen als sehr fruchtbar.